I made it – in 80 Tagen zur Präsentationsprüfung
Stellen Sie sich vor, Sie segeln allein um die Welt. Sie haben sich vorbereitet, Sie haben Ihre Segelyacht bestmöglich aufgebaut, Sie haben geübt, haben sich mentalen Beistand und Coaching geholt. Sobald aber das Rennen losgeht, sind Sie auf sich gestellt. Keine Eingriffe von außen, kein Anlegen, keine Unterstützung bei Unwettern und rauer See.
Fühlt sich gewaltig an, oder? Ich finde schon die Vorstellung beeindruckend. Allein auf dem Meer. 70, 80, 100 Tage lang. Das machen die Einhandsegler*innen bei der Vendée Globe, der härtesten Einhandregatta der Welt.
Wenn Schüler und Schülerinnen sich auf Prüfungen vorbereiten, dürfen sie natürlich Hilfen in Anspruch nehmen. Material, Begleitung, Ratschläge, wertvolle Strukturen und Übungen.
Aber dann, am Tag der Prüfung, sind sie auf sich allein gestellt. Und müssen sich darauf verlassen, dass die Vorbereitung, das Material und die (mentale) Kraft ausreichen, um ihre Aufgabe gut zu bewältigen. Eine solche Situation habe ich im vergangenen halben Jahr begleitet.
Die Anforderungen:
Schüler und Schülerinnen (SuS) der 10. Klasse Realschule müssen eine Präsentationsprüfung ablegen. Sie wählen ihr Thema selbst, es muss allerdings einem Unterrichtsfach zugeordnet werden können. Die Prüfung besteht aus:
- Hausarbeit: Sechs DIN A4 Seiten (ohne Titelblatt, Inhaltsverzeichnis, Quellenverzeichnis). Abgabe Mitte Dezember.
- Präsentation (PowerPoint), Vortrag und Beantwortung von Fragen zum Thema. Nach den Winterferien im Januar.
Ich habe meine Klasse im sogenannten Wahlpflichtunterricht (WPU) begleitet. Dort werden häufig MINT-Themen behandelt, also aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik sowie Digitale Schlüsselkompetenzen. In diesem Unterricht können gut auch Themen und Techniken behandelt werden, die man für die Vorbereitung auf eine Abschlussprüfung gebrauchen kann.
Im September kam ich daher auf die Idee, meine SuS auf die Präsentationsprüfung vorzubereiten, ihnen Fähigkeiten an die Hand zu geben, mit denen sie eine gut aufgebaute, interessante Hausarbeit schreiben sowie eine gute, sichere Präsentation halten könnten. Und weil es nicht allein auf Techniken, Recherche und Tools ankommt, ging es auch darum, wie man sich motiviert, wie man dranbleibt und wie man gute Entscheidungen trifft.
Parallel zu diesem Prozess lief die Vendée Globe 2024/2025, die härteste Einhandregatta der Welt. Start und Ziel liegen in Les Sables-d’Olonnes. Die Strecke führte durch den Atlantik und in östlicher Richtung durch das Südpolarmeer im Bereich der Roaring Forties rund 45.000 Kilometer einmal um den Globus.
Ich verfolgte die Fortschritte der Segler und der SuS gleichermaßen und fand das Bild der Segelregatta nicht nur motivierend, sondern auch ein gutes Sinnbild für die Anstrengungen, die die Schüler und Schülerinnen zu meistern hatten.
„Ich habe gelernt, dass ich alles schaffen kann. Es war besonders, dass wir auf die Präsentationsprüfung gut vorbereitet wurden. Meine Empfehlung: bleiben Sie wie Sie sind.“
Die Hausarbeit:
Die Schüler und Schülerinnen hatten bis Mitte November Zeit, um sich für ein Thema zu entscheiden. Sie sollten auch schon eine Leitfrage und eine Gliederung erstellen. Im Unterricht haben wir uns damit beschäftigt, wie die SuS diese Aufgabe gut bewältigen könnten, welche Tricks und Möglichkeiten sie haben, die Hausarbeit zu schreiben.
- Wie kann die Leitfrage zum Thema sinnvoll formuliert werden?
- Warum ist das Thema für mich spannend, interessant?
- Wie kann die KI genutzt werden zum Beispiel für die Gliederung?
- Wie sieht ein kritischer Umgang mit den Texten der KI aus?
- Wann sollte ich besser selbst etwas formulieren?
- Welche Bilder werden wo unter Berücksichtigung des Urheberrechts plaziert?
- Wie füge ich an passender Stelle eine Grafik bzw. ein Diagramm ein?
- Wie ist eine solche Grafik zu interpretieren?
- Wie sieht ein gutes Quellenverzeichnis aus?
- Das persönliche Fazit sowie die Beantwortung der Leitfrage sind selbst zu formulieren.
Natürlich lief in diesem Projekt nicht alles reibungslos und konzentriert ab, denn die Verlockungen, die KI nicht nur für die Projektarbeit zu nutzen, waren für einige SuS sehr groß. Damit hatte ich gerechnet, aber es ist immer wieder herausfordernd, Grenzen zu setzen und Strafen zu verhängen. Mehrfach musste ich Missbilligungen schreiben aufgrund von Störungen, Respektlosigkeiten und Beleidigungen.
Insgesamt aber war es toll, zu sehen, wie die Schüler und Schülerinnen ihre Projekte vorangetrieben haben. Während die Einhandsegler bereits seit dem 10. November allein auf den Weltmeeren unterwegs waren, machten die SuS noch ihre Boote seetüchtig, mit jeder Woche, die die Tour, also die Präsentation, näher rückte.
„Das Besondere an Ihrem Unterricht war, dass wir jedes Mal etwas Neues gelernt haben wie z.B. mit der KI umzugehen, was Future Skills sind und mehr. Mit Zitaten haben Sie uns motiviert, niemals aufzugeben. Selbst wenn wir Blödsinn gemacht haben, haben Sie trotzdem versucht uns etwas beizubringen.“
Die Präsentation:
Im Dezember ging es dann darum, wie man eine gute PowerPoint-Präsentation erstellt und wie man die Inhalte vorträgt. Nervosität ist normal bei solchen Prüfungen, aber bei manchen ist die Angst so groß, dass sie gar nicht erst antreten.
Daher bin ich auch besonders stolz auf meinen Kurs, denn alle sind zur Prüfung erschienen, alle haben ihre Präsentation gehalten. Alle 24 Schülerinnen und Schüler haben das Ziel erreicht – im Gegensatz übrigens zu den Teilnehmer*innen der Segelregatta, bei diesem Rennen kommen selten alle über die Ziellinie.
Aber meine SuS haben es geschafft: Alle haben den Prozess verstanden, die einzelnen Schritte durchgeführt, die nötig waren. Sie haben gelernt, wie man die KI einsetzt und wann man besser selbst formuliert. Sie wussten, wie sie sich die Zeit für die Präsentation bestmöglich einteilen. Ich bin stolz auf sie und auf das, was sie erreicht haben.
„Ich habe gelernt, selbstbewusster zu sein und immer an mich zu glauben. Sie hatten immer einen Spruch wie „gib nicht auf“, es hat mich motiviert.“
In 80 Tagen zur Präsentation: Yes! I made it!
Ende Februar hatte ich die Abschluss-Stunde mit meinem Kurs. Wir hatten Zeit, das Projekt gemeinsam zu reflektieren. Gemeinsam haben wir die Segelboote fit gemacht für das große Rennen, wir haben Schwierigkeiten überwunden und Lösungen gefunden. Keine gerissenen Segel zwar, aber dafür Prüfungsängste, Ablenkungen, Umgang mit einem größeren Schreibprojekt, die umfassende Entwicklung eines eigenen Themas. Es war sehr herausfordernd, aber: We made it!
In der Abschluss-Stunde habe ich meinen SuS auch das Video der jüngsten Weltumseglerin der Welt gezeigt. Denn die 16-jährige Jessica Watson ist zwar nicht beim Vendée Globe angetreten, aber sie hat es geschafft, in 210 Tagen allein die Welt zu umsegeln. Ich wollte zeigen: Wenn man etwas will, dann kann man es auch schaffen.
Dieses Hochgefühl wollte ich den SuS auch auf den weiteren Weg mitgeben. Daher habe ich für sie als Andenken Schlüsselanhänger gemacht, als Überraschung. Und als Erinnerung daran, dass sie es geschafft haben, trotz aller Schwierigkeiten im Ziel anzukommen. Sie haben eine Menge an Future Skills gelernt, haben gemerkt, wie es ist, im Team zu arbeiten.
Ich hoffe nun sehr darauf, dass die SuS dieses Wissen und dieses Selbstbewusstsein mitnehmen, sodass sie auch in Zukunft gut mit Herausforderungen umgehen können. Und dass sie auch in zukünftigen Projekten sagen können: I made it.
Die Anhänger habe ich übrigens im Tausch gegen Feedback ausgegeben. Das sind die Zitate, die Sie hier im Laufe des Artikels bereits gelesen haben. Ich kann nur sagen: Große Ziele, große Anstrengungen und großer Erfolg können beflügeln. Ich bin stolz auf die Schüler und Schülerinnen. Und bei solch einem Feedback auch ein bisschen auf mich selbst:
„Liebe Frau Skupsch, dank Ihnen habe ich gelernt, selbstbewusster zu sein, immer an meine Ziele und Träume zu glauben und immer ich selbst zu sein. Besonders hat mir bei Ihnen gefallen, dass Sie uns gelassen haben, unsere Aufgaben selber zu machen und deshalb konnten wir uns unseren Herausforderungen stellen und über uns hinauswachsen.“

